Kapitel.28
Das Loch im Schaufenster hatte Rebecca mit etwas Folie und Klebeband geschlossen, da ein kalter Wind um das Gebäude zog.
Zoe hatte ihr geholfen, war allen Unterhaltungen aus dem Weg gegangen und hatte sich schließlich wieder auf den Pappkartons zusammengerollt.
Marsters war müde, war diese ganze Situation leid und wollte einfach nur noch ihre Gedanken abschalten.
Ana, William und Rebecca saßen zusammen auf einem umgekippten Regal und unterhielten sich.
„Ich glaube Zoe hatte nicht viel Schlaf in der Zeit in der wir getrennt waren“, mutmaßte Rebecca.
Ana nickte.
„Nicht nur das, Albert war vermutlich auch ziemlich anstrengend. Für den Moment sollten wir ihr einfach eine Weile Ruhe lassen“
William stimmte ihr zu, blickte kurz zu Zoe herüber, die sich wieder mit seiner Jacke zugedeckt hatte, da diese immer noch auf ihrem improvisierten Schlafplatz gelegen hatte.
„Wir müssen hier weg. Wir sollten so schnell wie möglich in diesen Unterschlupf kommen. Je länger wir warten desto schwerer wird es uns fallen. Vielleicht werden die Umstände da draußen auch nur schlimmer anstatt besser. Selbst wenn der Nebel irgendwann verschwindet, was ich langsam nicht mehr glaube, werden die Infizierten trotzdem noch da draußen sein. Je länger wir warten, desto mehr werden es vermutlich sein und desto weiter werden sie sich verteilt haben“, sprach Chambers schließlich aus, was auch die anderen beiden dachten.
William nickte zustimmend.
„Aber wir sollten nicht ohne unsere Waffen und den Proviant weiterziehen und schon gar nicht ohne ein Fahrzeug“
Ana seufzte.
„Es wird nicht leicht sein an unsere Sachen und ein Fahrzeug zu kommen. Wir sollten uns genau überlegen wie wir vorgehen“
William deutete in Richtung der Hinterzimmer und sagte: „Albert und ich werden allein gehen. Ihr wartet hier“
Ana als auch Rebecca blickten ihn erschrocken an.
„Das kann nicht dein Ernst sein. Was ist wenn ihr nicht mehr hier her zurückfindet? Was ist wenn etwas passiert und wir können euch nicht helfen?“, warf Anassa ein.
Will schüttelte den Kopf.
„Wir schaffen das schon. Albert und ich sind jeweils schneller und stärker als ihr drei Frauen zusammen es je sein könntet. Wenn wir das nicht schaffen, schaffen wir es auch ganz sicher nicht alle zusammen. Wir können schneller dorthin und wieder hierher zurück ohne euch“
Chambers zuckte mit den Schultern und sagte zu Ana: „Du musst zugeben da ist was dran“
„Ich will nicht das du da draußen mit ihm allein bist. Ich traue Wesker nicht“, merkte sie unsicher an.
„Er könnte uns auch hier schaden“, brummte es aus Marsters Schlafecke „Er ist der einzige von uns der eine Schusswaffe hat. Ein kleiner unachtsamer Moment würde reichen und er könnte uns alle töten“
Sie richtete sich zum Sitzen auf und blickte in die Richtung der drei.
„Wenn er es tun wollte, hätte er es längst gekonnt“, fügte sie an.
„Lauschst du schon wieder?“, fragte William belustigt.
„Das ist wohl kaum nötig, ihr habt nicht gerade geflüstert. Selbst Albert könnte euch da hinten gehört haben. Vergiss nicht, seine Ohren sind genauso gut wie deine, William“
Nervös warfen alle drei einen kurzen Blick zu der Tür des Büros. Es blieb ruhig.
„Vielleicht schläft er“, vermutete Rebecca.
„Oder es ist ihm einfach egal“, brummte Zoe und rollte sich wieder auf den Kartons zusammen.
Die Bürotür ging auf und Albert kam mit düsterer Mine in den Raum.
„Es ist mir nicht egal“, murrte er.
„Schön“, gab Zoe trocken zurück, ohne sich nach ihm umzusehen.
„Chambers hat recht. Es wird Zeit zu handeln. Je früher wir hier wegkommen, desto besser“
„Die Sonne geht auf. Sollen wir direkt aufbrechen?“, fragte William.
Albert nickte.
Zoe richtete sich erneut in eine sitzende Position auf und blickte zu den anderen.
„Wir beide gehen los und holen unsere Sachen aus dem Diner, die Frauen bleiben hier“, sprach Wesker befehlsgewohnt.
Es war Ana anzusehen, dass sie davon nicht begeistert war. Aber sie schwieg als die beiden sich vorbereiteten zu gehen.
Albert kontrollierte seine Waffe und das Magazin. Als er damit zufrieden schien, steckte er sie wieder ins Holster an seinem Gürtel und wandte sich William zu.
„Nimmst du irgendeine Waffe mit?“, fragte er den Klon.
„Ich habe keine“
„Hier im Laden gibt es Baseballschläger, vielleicht nimmst du einen davon mit. Nur zur Sicherheit“, warf Marsters aus dem Hintergrund ein.
Will nickte.
„Warte ich hole dir einen“, sagte Zoe und verschwand für einen Moment zwischen den Regalen. Als sie wieder kam, hatte sie einen silbernen Alubaseballschläger bei sich, auf dem in schwarzem Druck das Logo des Herstellers war. Cold Steel
Zoe warf einen Blick auf das Preisschild das noch am Schläger hing und sagte trocken: „Dann bekomme ich Vierzig Dollar von dir“
„Später“, meinte William mit einem schiefen Grinsen „Schreib es an“
Marsters rupfte das Bändchen mit dem Preisschild vom Schläger und reichte ihn an seinen neuen Besitzer weiter.
„Seid vorsichtig da draußen“, murmelte sie.
Der Nebel war genauso dicht wie am ersten Tag als er aus den Bergen ins Tal kam.
William hatte den Baseballschläger fest in der rechten Hand, hielt sich dicht hinter Albert um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Wesker hatte natürlich wie selbstverständlich die Führung übernommen.
„Weißt du wo wir hin müssen?“, fragte der Klon unsicher.
„Wir halten uns dicht an den Häusern zu unserer Linken, einfach immer geradeaus den Bürgersteig entlang“, antwortete Albert selbstsicher.
William rief sich in Gedanken das Bild der Straße in den Kopf, ohne den Nebel und nickte stumm. Wesker hatte recht, die Richtung die sie einschlugen müsste stimmen.
Will streckte hin und wieder den linken Arm aus, tastete nach der Fassade der Gebäude um sicher zu gehen dass sie wirklich noch auf ihrem Weg waren. Die Dichte des Nebels variierte von Meter zu Meter, mal konnte man kaum die eigene Hand vor Augen sehen, mal hatte man eine Sichtweite von zwei bis drei Metern.
„Zoe hat erwähnt das du im Nebel angegriffen worden bist“, fiel William ein.
„Sagt sie das?“
„Ja. Sie sagte auch das du glaubst das es nicht menschlich war“
„Menschen haben selten Krallen, William“, merkte Albert trocken an.
„Du hast es aber nicht genau gesehen, was immer es auch war?“
„Korrekt. Nach den gigantischen Stubenfliegen, den wandelnden Toten und allem anderen was ich in den Laboren von Umbrella gesehen habe, überrascht mich allerdings nichts mehr“
„Kann ich mir vorstellen“, brummte William.
Doch der Gedanke ließ ihn nicht los.
„Was glaubst du was es war?“, fragte er einen Moment später.
Albert seufzte.
„Das weiß ich nicht. Irgendetwas das Krallen hatte. Ein Bär, ein Berglöwe, eine Banane... es könnte alles gewesen sein“
„Warum bist du so genervt? Ich dachte nur es wäre gut zu wissen was hier vielleicht auf mich zukommt“
Wesker blieb stehen und drehte sich zu ihm herum.
„Und ich sagte dir bereits das ich es nicht weiß. Jetzt halte den Mund, jedes Geräusch könnte etwas aus dem Nebel locken, was auch immer es sein mag“, knurrte er ungeduldig.
Als er sich umdrehte und den Weg wieder aufnahm, schwieg der Weskerklon.
Sie erreichten schließlich das Diner, welches nach wie vor verlassen war. Ihre Rucksäcke standen noch an Ort und Stelle, vor dem Snackautomaten.
Albert öffnete jeden und wühlte darin herum.
„Was machst du da?“, fragte William kritisch.
„Welcher gehört Zoe?“
Als der Klon nicht antwortete und Wesker aufsah, blickte er in Williams verärgertes Gesicht.
„Du solltest nicht in ihren Sachen wühlen“
Wesker stand auf und stellte sich vor seinen Doppelgänger.
„Wie ich schon sagte, hat sie mir alles erzählt, aber ich verstehe noch nicht alles. Ich suche nach Hinweisen. Freiwillig wird sie mir die wahrscheinlich nicht geben. Also welcher ist es?“
„Der dunkelblaue“, brummte William widerwillig.
Wesker griff nach dem Rucksack und schüttete den gesamten Inhalt aus, sah sich die Gegenstände einzeln an.
Nahrung, Wasser, 9mm Munition, Messer, Colt1911, ein paar Kosmetika...
„Keine Fotos oder andere persönliche Dinge“, murrte Albert.
„Natürlich nicht. Ihr kamt von der Insel hier her, ihr hattet nichts bei euch außer den Klamotten an eurem Körper. In der Hütte war nichts von euren persönlichen Sachen“, merkte William bissig an.
„Was soll das? Warum bist du wütend darüber was ich mache? Tue ich ihr damit vielleicht weh?!“
„Man wühlt nicht in den Sachen anderer Leute“
„Tatsächlich nicht?“, gab Wesker sarkastisch zurück.
Er stopfte die Sachen zurück in den Rucksack, stellte die Riemen weiter ein damit er ihn über die Schultern ziehen konnte und schnappte sich einen zweiten den er in der Hand behielt.
William tat es ihm mit zwei anderen Rucksäcken gleich und nahm auch noch den letzten fünften Rucksack in die Hand.
„Du wirst mir Deckung geben müssen“, sagte er zu Albert „Ich habe keine Hand mehr frei“
Wesker blickte ihn kurz an und nickte knapp.
„Gib Laut wenn du Deckung brauchst, ich habe keine Augen im Hinterkopf“, sagte er trocken.
„Wie lange werden die Männer wohl brauchen?“, murmelte Ana vor sich hin.
Zoe die sich stumm neben sie auf die Fensterbank gesetzt hatte, zuckte mit den Schultern und sagte: „Nicht lange. Fünfzehn Minuten maximal, wenn es keine Zwischenfälle gibt“
Anassa wandte ihren Kopf und sah das Rebecca sich auf den Platz gelegt hatte, auf dem zuvor Zoe versucht hatte zu schlafen.
„Becky scheint nicht allzu angespannt zu sein“, meinte sie schließlich.
Marsters nickte: „Ja, sie hat auch keine emotionale Bindung zu den beiden. Nicht so wie wir“
Ana dachte einen Moment nach, schließlich fragte sie: „Es ist also nicht so gut gelaufen? Dein Gespräch mit Albert meine ich“
„Nicht gut- die Untertreibung des Jahrhunderts. Es lief furchtbar schief. Er hatte keine Geduld, kein Vertrauen... er war abweisend, aggressiv...“
Ana seufzte.
„Es tut mir leid. Ich war mir so sicher... das alles gut werden würde“
Zoe lachte leise.
„Noch ist nicht aller Tage Abend. So schnell werde ich ihn nicht aufgeben, auch wenn er mir ganz schön zugesetzt hat. Das was wir vorher hatten, kann ich nicht einfach so loslassen. Es ist mitunter meine Schuld, dass er alles vergessen hat, umso mehr will ich das er sich erinnert“
„Das kann immer noch passieren. Progenitor- das was Albert verändert hat, ist manchmal sehr... launisch, auch was Heilungsprozesse angeht. Das Gehirn ist ein sehr kompliziertes Organ, durchaus möglich das es noch immer regeneriert“
„Das würde einiges erklären“, sagte Zoe trocken.
Anassa lachte.
„Ja, so ungefähr“
Eine Weile schwiegen die Frauen, bis Ana fragte: „Wie lange sind die beiden schon weg?“
Zoe blickte auf ihre Armbanduhr.
„Ziemlich genau zehn Minuten“
Marsters beobachtete die Frau mit dem Pechschwarzen Haar, sah ihre Unsicherheit, die Nervosität.
„Wenn jemand auf sich aufpassen kann, dann sind es die beiden“, bemerkte Zoe am Rande.
Anassa lächelte und nickte, aber es wirkte ein wenig gezwungen.
„Ich weiß. Nur seit dem das Virus weltweit ausgebrochen ist... und dieser Nebel“, sie unterbrach sich selbst mit einem Seufzer, bevor sie weiter sprach: „Die Umstände sind alles andere als normal“
„Albert ist so etwas gewohnt“
„William aber nicht“
Zoe dachte einen Moment nach und entgegnete ihr schließlich: „Albert wird ihn da draußen nicht im Stich lassen“
„Wir werden verfolgt“, sagte William leise.
Albert blieb stehen und drehte sich zu ihm um.
„Wovon? Ich sehe nichts“
„Glaub mir, da ist irgendetwas hinter uns“
Wesker knirschte mit den Zähnen.
„Okay, du gehst vor, aber langsam. Ich halte hinter dir Ausschau. Sag mir wenn sich vor uns etwas tun sollte“, meinte er schließlich.
William ging an ihm vorbei und lief langsam weiter. Albert lief hinter ihm langsam rückwärts, die freie Hand am Griff seiner Desert Eagle.
Das war nicht unbedingt eine clevere Strategie oder Formation, aber sie mussten weiter und der Nebel ließ nicht viele Möglichkeiten zu.
Schließlich sah er es, in den kurzen Abschnitten in denen der Nebel nicht ganz so dicht war, zeichnete sich eine gebeugte Gestalt ab, die sich schlurfend aber äußerst zielstrebig in die Richtung der beiden Männer bewegte.
„Ein Toter“, brummte Wesker „Einer von diesen verfaulten Aasgeiern, nichts wirklich gefährliches“
William murmelte: „Wenn du das sagst“
„Der ist zu langsam, er wird uns nicht einholen können bis wir da sind. Und selbst wenn er es doch tut, diese Dinger sind nicht gerade schwer zu töten oder auszutricksen“
„Warum schießt du nicht einfach?“
Albert seufzte.
„Du musst noch viel lernen, kleiner Bruder. Laute Geräusche locken noch mehr von Denen an und vielleicht auch andere Dinge, abgesehen davon wäre es Munitionsverschwendung“
„Bruder?“, fragte William überrascht.
„Bilde dir nichts darauf ein“, brummte Wesker „Es klinkt nur einfach besser als „Klon“ und es ist kürzer als Doppelgänger“
Will lachte leise.
„Was ist so witzig?“, fragte Wesker während er weiter rückwärts hinter ihm herlief.
„Zoe hatte recht - Du versuchst wirklich jede emotionale Bindung zu meiden, völlig egal welcher Art. Und weißt du was ich glaube was dafür der Grund ist?“
Albert seufzte genervt.
„Nein. Erleuchte mich“, raunte er schließlich.
„Du hast Angst dich zu öffnen, denn sobald du das tust, könnte man dich verletzen“
„Erspare mir deinen Möchtegern - Psycho - Quatsch „
„Vielleicht solltest du mal in Erwägung ziehen das die Leute die bei dir sind, dir nicht weh tun wollen“
„Halt den Mund und konzentriere dich auf die Umgebung“, knurrte Wesker.
„Gute Idee, vielleicht kommt ja die Banane zurück die dich schon zuvor angegriffen hatte“
„Halt einfach den Rand“
„Es gibt keinen Grund feindselig zu sein, ich...“
„Wenn du nicht gleich die Klappe hältst, laufe ich ohne dich weiter und lasse dich hier ste...“
Etwas traf Wesker hart in die Seite, riss ihn mit sich gegen eine Haustür und mitsamt dieser in den Hausgang des Gebäudes. Der Aufprall trieb ihm die Luft aus den Lungen. Als er versuchte einzuatmen, schmerzte sein gesamter Brustkorb höllisch. Ein paar Rippen waren gebrochen.
Albert ächzte, biss die Zähne zusammen und versuchte schwerfällig sich aufzurichten, während er seine Waffe zog.
Den Rucksack den er in der Hand gehalten hatte, hatte er verloren, er war aufgerissen und der Inhalt auf dem Holzfußboden vor ihm verteilt.
Was auch immer ihn erwischt hatte, war nach dem Zusammenprall über ihn hinweg ein Stück weiter in den Gang geschlittert.
Wesker hob den Kopf während er sich langsam auf die Knie hocharbeitete, blickte auf das Ding das ihn erwischt hatte.
Das Wesen war ganz sicher kein heimisches Raubtier, so viel war klar.